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ALPINE ARCHITEKTUR
Manch einer denkt, dass die alpine Landschaft ein im Wesentlichen natürlicher Raum sei. In Wirklichkeit ist das, was wir heute sehen, das Ergebnis einer kontinuierlichen und unaufhörlichen Umgestaltungsarbeit der natürlichen Umgebung durch den Menschen. Die historische Landschaft dieser Täler ist eine „komplexe Maschine“. Ansiedlungen, Architektur, Ackerbau, Terrassierungen, Almen, Wälder, Kanäle und Saumpfade sind die einzelnen, voneinander abhängenden Elemente eines einzigen, integrierten Systems, in dem die Bewegung entlang der Höhenstufen mit dem Wechsel der Jahreszeiten in der Vergangenheit grundlegend war.
Diese riesige, geschaffene Landschaft diente historisch gesehen als regelrechte „ökologische Infrastruktur“ für das Leben und die Arbeit ihrer Bewohner. Die architektonischen Strukturen und die Dörfer sind die offensichtlichsten und am leichtesten erkennbaren Elemente dieser geschaffenen Landschaft.
In Wirklichkeit hat jedoch jedes einzelne Tal, Seitental und Fleckchen im Lauf der Jahrhunderte eine eigene, spezifische Siedlungs- und Architekturform entwickelt. Ein häufig vorkommendes Element in diesem Gebiet ist die Verwendung von Stein, dem Hauptbaumaterial der Siedlungen und der Landschaft. Stein wurde für den Bau der Mauern und Decken verwendet, als lose (Dachschindeln), für Pflasterarbeiten außen und innen. Auch die alten Dörfer sind überwiegend aus Stein: Allein im Po-, Bronda- und Infernotto-Tal sind es hunderte, die die starke Anthropisierung des Gebiets bezeugen. Im Innern der Dörfer gibt es oft Gemeinschaftsbauten, wie z.B. Kapellen oder Backhäuser. In höheren Lagen befinden sich hingegen die meire, die temporären Behausungen der sommerlichen Almwirtschaft.
All die verschiedenen Dörfer und Almen sind untereinander durch ein dichtes Wegenetz verbunden. Die am häufigsten begangenen Wege wurden mit Steinen gepflastert und zu Saumpfaden umgewandelt. Die Gebäude verändern sich zunehmend, wenn man vom unteren Tal in das obere hinübergeht. Das liegt an den Einflüssen der Höhe und des Klimas.
DER MONTE BRACCO UND BALMA BOVES
Dieser geographische Treffpunkt zwischen den horizontalen Ländereien der Ebene um Cuneo und den vertikalen Landschaften des Monviso-Massivs ist beinahe eine Art Insel mit spezifischen Eigenschaften, die in die Landschaft des unteren Tals eingefügt ist.
Hier erreicht die Siedlungsform derbalma oder barma den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Es handelt sich um Felsvorsprünge, unter denen Gebäude errichtet wurden, die sich den natürlichen Schutz zu Nutze machten, ein Modell, das im Piemont weit verbreitet war. Hier handelt es sich jedoch nicht um einfache verstreute Konstruktionen, wie man sie sonst oft sieht, sondern um regelrechte Dörfer, die unter den Felsvorsprüngen aus Gneis erbaut wurden.
Die Deckung geneigter Dächer mit den lose (Dachschindeln aus Stein), ein zentrales Element der alpinen Architektur, kommt hier so gut wie gar nicht vor. Unter diesem Gesichtspunkt ist die ausgeprägte Ansiedlung Balma Boves, die in der Gemeinde Sanfront auf der Südseite des Monte-Bracco-Massivs auf 650 m Höhe liegt, ein außergewöhnliches Beispiel.
Der bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts dauerhaft bewohnte und heute restaurierte Weiler liegt inmitten eines Esskastanienwalds und stellt mit seinen Viehställen, Wohn- und Arbeitsräumen, dem Back- und dem Waschhaus sowie seinen gepflasterten kleinen Plätzen eine Art Mikrokosmos dar. Es ist offensichtlich, dass die balme Ansiedlungen sind, die auf sehr alte Ursprünge zurückgehen, und wahrscheinlich ebenso wie die auf dem Gebiet des Monte Bracco weit verbreiteten Fundstücke und Felsritzungen die Existenz menschlicher Standorte schon in weit zurückliegender Zeit bezeugen.
DAS OBERE TAL: DER FALL OSTANAS
Oncino und Ostana, Ortsteile von Crissolo, sind reich an bemerkenswerten historischen, kulturellen und materiellen Gütern. Einige der Ansiedlungen können in der Tat zu den besten Beispielen alpiner Architektur gezählt werden. Seit einiger Zeit ist Ostana ein wichtiger Bezugspunkt im Hinblick auf den Erhalt und die Aufwertung alpiner Architektur geworden. Ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre hat die örtliche Gemeinschaft eine Politik der Wiederverwertung alter Berggebäude unter einem Gesichtspunkt der Qualität verfolgt, die allgemein verbreitet und anerkannt war. Die Eingriffe betrafen sowohl das öffentliche als auch das private Eigentum und sowohl die Gebäude als auch die Freiflächen. Die Wiederverwertung und Qualifizierung des architektonischen Erbes haben eine neue Identität und Erkennbarkeit dieser kleinen Berggemeinschaft ins Leben gerufen und somit auch ihre ökonomische und soziale Wiedergeburt. Architektonische Qualität, Identität und neue Fähigkeiten, Umweltverträglichkeit und ein Tourismusangebot, das den Orten entspricht, das sind die starken Punkte Ostanas für die Zukunft. Diese Philosophie hat es dem Ort kürzlich ermöglicht, in den Club der schönsten Dörfer Italiens, dem “Borghi più belli d’Italia” aufgenommen zu werden.